Eine Erinnerung aus meiner Kindheit (1)
Ich muss fünf Jahre alt gewesen sein, als meine Eltern in unserem Kinderzimmer ein Etagenbett aufgebaut haben.
Ich war schon groß genug, um allein die Leiter zu erklimmen. Bis zur Decke war es nur noch ein Stück weit … wenn ich mich hinstellen würde, könnte ich sie wohl berühren?
Ich probierte es erst einmal nicht aus, war die Höhe doch ungewohnt und die neue Perspektive über das Kinderzimmer musste ich erst einmal auf mich wirken lassen. Meinem Bruder, der zu der Zeit etwa dreineinhalb Jahre gewesen sein muss, halfen unsere Eltern nach oben zu mir zu kommen.
Ich erinnere mich auch, dass noch mindestens eine erwachsene Person anwesend war. Ich könnte nur raten, wer es war. Ich hab keine Ahnung. Was ich aber weiß: sie unterhielten sich darüber, dass empfohlen war, Kinder erst ab dem vollendeten 6. Lebensjahr im oberen Bett schlafen zu lassen.
Und ich war eben noch nicht sechs, sondern erst fünf. Als kleines 5-jähriges Mädchen fühlte ich mich vor dieser „Verantwortung“ irgendwie merkwürdig erdrückt. Später schlug meine Mama mir vor, die erste Nacht mit dem großen kleinen Bruder im unteren Bett zu schlafen.
Ich weiß nicht warum, aber es hörte sich wie eine Probe an. Als hätten sie gesagt: „Hey, wenn das gut klappt, kannst du ja ab morgen oben schlafen!“ Vielleicht haben sie das sogar gesagt. Ich meine, haben sie?
Das ergibt nämlich überhaupt keinen Sinn. Oder? Nein.
Denn es ist ja nicht so, als hätte ich zuvor in einem Gitterbett geschlafen. Oder auf dem Boden. Das Stockbett verfügte natürlich auch über einen angemessen hohen Rand, der nur an der Fußseite des Bettes wegen des Ausstiegs zur Leiter unterbrochen war.
Ein zwei-mal-1,90 Meter Bett, mit Rand bis auf ca. 40 cm Aussparung, aber klar, lassen wir sie erst mal unten mit ihrem Bruder schlafen, is‘ viel sicherer. Ehem.
Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich sah mich an. Also im wahrsten Sinne. Ich sah mir selbst direkt ins Gesicht.
Einige Schrecksekunden später realisierte ich, was passiert war. Ich lag auf meinem Bauch auf dem Fußboden. Ich war aus dem Bett geplumpst! Ob ich mich einfach gedreht hatte, oder mein Bruder mich im Schlaf raus gedrängt hatte, wer weiß?
An der Wand quer zum Bett stand ein Schrank mit Spiegel, in dem mein Ich mich verdutzt anguckte. Die großen Augen blinzeln ein paarmal. Ich spürte nur einen Schrecken, keinen Schmerz. Ich glaube, ich bin damals auch nicht auf mein Gesicht gefallen. Im Spiegel sehe ich mich deutlich auf die Ellbogen gestützt, als hätte ich mich im Fall versteift, bevor ich auf dem Teppich angekommen war.
Ich stand auf und ging ins Bett zurück. Ich legte mich hin, deckte mich zu. Konnte erst nicht einschlafen. Ich legte meinen Kopf über die Bettkante und sah mich nochmals im Spiegel an. Irgendwann schlief ich ein.
Ich erzählte meinen Eltern am nächsten Morgen nichts davon. Ich fürchtete, sie würden sich dann zu sehr sorgen und mir verbieten, im oberen Bett zu schlafen. Ich wollte, dass sie mich für ein großes Mädchen hielten. Nicht für ein Baby, das aus dem Bett fällt, wenn kein Gitter da ist.
Lustigerweise hatte ich zuerst Angst gehabt, oben zu schlafen, weil ich noch keine sechs war. Jetzt wollte ich es auf jeden Fall, weil es mir sicherer erschien.
Vielleicht wars doch ziemlich cool von meinen Eltern, mich in der ersten Nacht bei meinem Bruder schlafen zu lassen. Ich bin seitdem nie wieder aus irgendeinem Bett gefallen. Haha 🙂
Mir geht jetzt nur nicht aus dem Kopf, dass ich als Mutter gewollt hätte, dass mein Kind mir das anvertraut. Und den Schrecken von letzter Nacht noch mal mit mir teilt. Ohne Angst vor Konsequenzen. Denn, obwohl ich aus dem Bett gefallen war, so war ich mir doch sicher, dass ich trotzdem groß genug war, im oberen Bett zu schlafen. Ich wusste, das verschiedene Faktoren für meinen Fall verantwortlich waren, die es im oberen Bett nicht gab.
Ich hatte Angst, dass sie mir nicht zutrauten, schon soweit zu sein und ich erst warten müsste, bis ich Geburtstag hatte, mein neues Bett zu beziehen. Ich hatte Angst vor den Konsequenzen.
Was meine Eltern und ihre Erziehung möglicherweise mit diesen Ängsten zu tun haben, dass sie keine Schuld trifft und was bedürfnisorientierte Erziehung ist – das möchte ich euch in meinem nächsten Post schreiben.
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