Menstruations-Momente (Teil 2 von 3)

Teil 1 der Serie findet ihr hier: https://awesomediaries.de/menstruations-momente/.

Direkt nachdem ich am Dienstag Teil 1 dieser Serie veröffentlicht hatte, wusste ich noch nicht, dass es mehrere Teile geben würde.

Nach der Veröffentlichung fühlte ich mich gut (yeah, endlich mal ein kurzer Text, innerhalb eines halben Tages geschrieben!).

Und dann passierte Folgendes (mal wieder Tempus-Wechsel):

Ich spreche mit der siebenjährigen Nachbarstochter über die Periode. Überraschung: sie hat noch nie was davon gehört.

Ich fahre den PC herunter und will aufs Klo.

Das ist aber von der Nachbarstochter besetzt. Die kommt aktuell alle paar Tage mal zu Besuch, nur eine von zwei Mädels, die meine Tochter momentan sieht.

Die Väter wohnen jeweils getrennt von ihren Frauen in der Nachbarschaft und wir verstehen uns gut. Nennen wir den einen den Russen und den anderen DJ. Dort auf der Terrasse zu sitzen, wenn die Kids miteinander gespielt haben, hat mir so manchen Tag gerettet.

Es tut gut, nach Wochen der relativen Isolation wieder ab und zu andere Menschen um sich zu haben.

Keiner von uns kennt jemanden, der jemanden kennt, der Corona hat oder ein Verdachtsfall wäre. Die arbeiten beide in der Firma, in der auch mein Freund arbeitet. Die ist groß, da gab es wohl auch teilweise Fälle, aber das sagt einem keiner, weil eigentlich niemand will, dass man das weiß. Wenn wirs kriegen, dann aus der Firma des Freundes 😀

Jedenfalls spielen die Mädels mal bei uns, mal drüben, mal im Garten oder auf der Straße. Die Tochter vom Russen, sagen wir sie heißt Katinka, ist sieben Jahre alt.

Und eben dieses Mädchen besetzt nun unser Klo. Ich platzt rein, entschuldige mich. Es scheint sie nicht zu stören. Meine Tochter sucht Katinka. Ich sage ihr, sie sei auf Toilette und dass sie bitte ihre Privatsphäre akzeptieren solle.

„Bitte bleib draußen Schatz.“, sag ich, im Nachhinein unnötig, Mädels macht das untereinander meistens nix aus. Aber Katinka ist ein Einzelkind, da wird niemand einfach ins Bad kommen, denk ich mal.

Bockig stellt die Tochter sich direkt an die Tür und streckt mir die Zunge raus.

Sie ist so unglaublich bockig zur Zeit. Aber sie hat sich heute auch mit Lena, der Tochter vom DJ, die ist 5, gestritten. Sie sind ähnlich starke Persönlichkeiten, die jemand ruhiges wie Katinka brauchen, der ja und amen sagt und halt mitspielt. Mein Fräulein Chaos stößt nun auf Konfrontation. Ich hab mich nicht eingemischt; nur wenn sie mich aktiv angesprochen haben. Sie müssen das lernen.

Katinka kommt aus dem Badezimmer. Meine Tochter kann es nicht abwarten und ruft, beim Absteigen der Treppe:

„Gehen wir unten zusammen spielen? Komm, Katinka!“

Katinka wiederum fragt mich daraufhin, ob ich mit nach unten käme, ins Wohnzimmer, zum Spielen.

„Mädels, ich geh gern mit euch runter, aber ich muss vorher auch noch mal aufs Klo.“

„Darf ich mit rein?“, fragt Katinka.

Okay. Äh. Ja öh. Ich hatte gerade einen Blogeintrag veröffentlicht, in dem ich mich mit meinem offenen Umgang über meine Blutungen rühme. Was sollte ich tun?

„Pfff… von mir aus, komm mit rein. Aber ich habe meine Tage.“

Das niedliche Mädchen, das immer so still und lieb ist, und schüchtern mit ihren Haaren spielt, wenn man ihr zum Beispiel eine Frage stellt, sieht mich an. Sie legt den Kopf schief und fragt mit zusammen gekniffenen Augen: „Was?“

„Eh. Ich sage, du kannst gerne mit rein kommen, aber ich habe meine Tage. Meine Regel. Meine Periode.“

Sie steht noch so da, Augen zusammen gekniffen und Kopf schief, Fragezeichen in den Augen.

„Ich habe meine Blutung? Da unten?“, versuche ich es noch ein letztes Mal.

„Wo hast du Blut?“, fragt sie.

‚Oh Himmel nein!‘, denk ich mir. Gibts sowas?

Ich muss immer noch pinkeln und würde gerne meinen Tampon herausnehmen. Verdammt. Konnte ich ihr das zumuten? Mir?

„Kennst du das nicht? Hat dir deine Mutter nie davon erzählt?“

„Hm nein.“. Sie kaut auf einer Haarsträhne. Ich bin mir nicht sicher ob sie lügt, weil sie einfach neugierig ist und sich nicht traut, oder ob sie die Wahrheit sagt.

Ich überlege. Okay, es kann sein, dass die Mutter nur Russisch mit ihr redet, wie der Vater meistens wohl auch. Deutsch hat sie halt so im Kindergarten und draußen und in der Schule gelernt. Sie braucht manchmal einen Moment, um die Worte in ihrem Kopf zu formen, aber sie spricht wirklich gut Deutsch. Selbst wenn ihr der Begriff „die Tage“ oder „Periode“ nicht bekannt sind, dann weiß sie ja wohl trotzdem, was Blut ist.

„Ich kann dich mit rein nehmen, aber es kann sein, dass dus bisschen eklig findest. Ich weiß nicht. Vielleicht solltest du schon mal mit Fräulein Chaos spielen und ich komme dann runter, wenn ich fertig bin.“

Unschlüssig bleibt sie stehen. „Kann ich mit rein kommen?“

Ganz ehrlich, sie möchte und mir macht es nichts aus. Und ich bin nicht ihre Mutter, aber das Kind hat noch vielleicht sechs Jahre, dann bekommt sie die Mens auch! Die Mutter einer Freundin von mir hat sie schon mit acht Jahren bekommen. Extrem, aber möglich. Da erschrickt sich dein Kind doch zu Tode und trägt ein Trauma davon!

Meine Erfahrung ist, dass bei der Art und Weise, wie man seine Periode erlebt, drei verschiedene Aspekte zusammenspielen.

Erstens: Erziehung

Wie man in der Hinsicht erzogen wurde, prägt.

Wurde man von einer Freundin aufgeklärt? Einer Tante? Der eigenen Mutter?

Gerade die Einstellung und der Umgang der menstruierenden Frauen eines Haushalts (meistens die Mutter) prägen dich. Hatte sie Schmerzen? Hat sie dich während der Tage der Blutung aus dem Raum geschickt, sich vielleicht sogar offensichtlich geschämt? Hat sie vielleicht immer furchtbar schlechte Laune gehabt und das damit entschuldigt?

Meine Mutter hatte keine Schmerzen. Meine Schwester und ich leider schon. Sie konnte uns leider nicht helfen, sie kannte das nur von ihrer eigenen Schwester.

Einmal lag ich heulend vor meinem Bett, weil ich so Schmerzen hatte. Meine Mama tröstete mich, brachte mir Tee und Wärmflasche und sagte: „So fühlen sich Wehen an.“ Wenn das mal nicht, Jahre später, die Freude auf die Geburt erhöht hat… 😀

Meine Mutter verpackte gebrauchte Periodenprodukte (Ich liebe dieses Wort! Viel besser als Damenhygiene!) sorgfältig. Und warf sie so weg, dass man es nicht bemerkte. Sie machte keinen Hehl darum, wenn man sie fragte, machte aber auch nie ein Drama draus.

Ich habe zwei jüngere Brüder und meine Mutter war uns Mädchen gegenüber offen. Meine Brüder hatten kein männliches, erwachsenes Vorbild und wussten oft nicht, wie sie mit unserer Weiblichkeit und deren „Folgen“ umgehen sollten. Meine Mutter konnte das natürlich als Frau nicht so transportieren, wie ein Mann das getan hätte.

Irgendwie entstand so durch das Verhalten meiner Brüder eine Art allgemeine Scham voreinander in der Familie. In Bezug auf Nacktheit zum Beispiel. Wobei „viel Haut zeigen“ schon reichte, um peinlich ausweichende Blicke zu erzeugen. Andererseits beweist das aber auch die Anständigkeit meiner Brüder. Sie sind gute Männer. Sehr respektvoll im Umgang mit Frauen.

Meine Oma ist von ihrer Oma aufgezogen worden. Die hat sich in der Dunkelheit umgezogen. Niemals vor ihrer Enkelin. Also dachte meine Oma, man könne von einem Kuss schwanger werden. Das wurde ihr von ihrer Oma so erzählt. Sie wurde nicht aufgeklärt. Entsprechend dürftig war die Aufklärung der Kinder meiner Oma. Meine Mama ist Omas Kind. Sie wurde nicht aufgeklärt.

Wie schwer es ist, den Erziehungs-„Teufelskreis“ zu durchbrechen, beschreibe ich auch hier: https://awesomediaries.de/?p=262. Wir machen automatisch das selbe wie unsere Eltern, egal wie sehr wir es als Kind gehasst haben; sogar wenn wir wissen, dass es nicht gut ist. Dieses Muster muss man erkennen und dagegen arbeiten.

Meine Mutter hat sich wirklich Mühe gegeben. Sie hat viel mehr getan als meine Oma oder deren Oma. Und ich kann es noch besser machen. Ich habe zu spät mit ihr darüber geredet, dabei war schon zu viel Scham im Spiel. Ich mache meiner Mama keine Vorwürfe, sie ist toll.

Ich versuche einfach, ihrem Beispiel zu folgen und meine Kinder, auch meinen Sohn, von Anfang an mit einzubinden, in jeden Aspekt meines Lebens.

Zweitens: Sympomatik

Die Periode ist von Frau zu Frau so unterschiedlich! Die eine blutet einen Tag lang richtig doll und nach drei Tagen ist es vorbei. Und die andere quält sich eine Woche mit Migräne und Wärmflasche durch den Tag. Und es gibt alles dazwischen.

Auch der Grad der Blutung variiert stark von Frau zu Frau. Die eine bemerkt es kaum, die andere beschreibt es als „Schlachtfest“. Selbst die Zykluslänge ist nicht starr und es gibt für alles einen Durchschnitt. Aber viele weichen davon ab, manche stark.

Viele leiden unter PMS, dem prämenstruellen Syndrom. Ausgelöst durch diese beknackten Hormone. Prä- für „vor“; sprich, ein Syndrom noch bevor die Periode überhaupt beginnt!

Das heißt, nicht nur, dass du ein paar Tage blutest und dich eh nicht so gut fühlst, emotional auch verletztlicher bist. Sondern auch, dass du dich schon ein paar Tage vorher scheiße fühlst.

Interessant finde ich: Tatsächlich haben sich die Geburten der Kinder jeweils auf meine Menstruation ausgewirkt.

In den ersten Jahren meiner Blutungs-Erfahrung verband ich die Erdbeerwoche nur mit Schmerzen und Depression. Denn ich hatte Schmerzen, schlimme Schmerzen. Drei Wochen normal, eine Woche die Hölle.

Rein von der Erziehung war die Mens etwas, was nicht angenehm ist und einfach nervt. Noch dazu hatte ich in der Pubertät extreme Schmerzen. Bei den Mädchen in meiner Klasse war es sehr unterschiedlich.

Es war anfangs schwer, darüber zu sprechen. Ich hab schon immer gerne über Tabu-Themen geredet. Und genau das war es. In der sechsten Klasse hatten dann alle Mädchen mittlerweise ihre Tage. Eine meiner engsten Freundinnen hat sie während einer mehrtägigen Klassenfahrt bekommen. Wow! Sie hat mir so leid getan. Da wir im Schwimmbad waren, hat sie sich von mir einen Tampon geliehen. Ich hab mich so cool gefühlt, weil ich welche dabei hatte 😀

Zu der Zeit haben die Mädchen höchstens ganz leise hinter vorgehaltener Hand mit ihrer besten Freundin darüber getuschelt.

Wir wurden älter. Mit fünfzehn Jahren hatte ich die Schnauze voll von den Schmerzen.

Ich fragte meinen Frauenarzt. Ich hatte ihn als Arzt ausgewählt, da meine Mutter zu ihm ging. Ich bin ab meinem siebten Lebensjahr ohne Vater aufgewachsen. Und dachte, euw, echt, ein Mann?

Andererseits war meine Mutter super zufrieden. Und ich dachte, da er da unten was anderes hat, ist er vielleicht vorsichtiger als eine Frau.

Ich klagte ihm sein Leid, er nahm sich Zeit für mich. Total sympathisch, der Typ. Er hat riesige Hände. Richtige Schaufeln sind das.

„Naja, wir haben zwei Möglichkeiten. Sie leiden nach wie vor und begnügen sich mit der Wärmflasche. Das machen viele. Oder wir versuchen es mit der Pille.“

Ich war 15, ich hatte meinen ersten richtigen Freund, schon klar wofür ich mich entschied.

Die Pille machte es tatsächlich etwas besser. Ich nahm sie einige Jahre. Als ich eine Fernbeziehung führte, in der wir uns nur alle paar Wochen sehen konnten, konnte ich meine Tage auch gut und gern mal für ein bis zwei Monate verschieben. Das war schon Luxus.

Allerdings war ich durch bestimmte Traumata auch anfällig für Depressionen und die Pille steht im Verdacht, diese zu begünstigen. An den Schmerzen aber änderte die Pille nichts. Ich musste sie nur seltener ertragen.

Als ich eine zeitlang ohne Partner war, plagte mich mein Gewissen („Hormone sind nicht gut für den Körper – es ist unnatürlich.“) und ich setzte sie ab. Brauchte sie nicht mehr. Doch der regelmäßige Zyklus, der sich mit der Pille eingestellt hatte, blieb. Die Schmerzen leider auch.

Nach der Geburt meiner Kinder allerdings hatte ich weniger Schmerzen. Oder es macht mir einfach nicht mehr so viel aus. Ich meine, ich hab zwei Kinder gekriegt. Ich bin weniger schmerzempfindlich. Ich war so ’ne Pussy.

Drittens: Die Einstellung

Nun ist meine Periodengeschichte von Schmerz und Verdrängung/Aufschiebung geprägt.

Die zwei vorherigen Dinge, die Erziehung und meine Symptome, kann ich nicht bis wenig beeinflussen.

Aber meine Einstellung. Ich sehe meine Menstruation schon viel positiver. Woher das kommt, erzähle ich in Teil 3.

Wie ging es weiter mit Katinka?

Warum erzähle ich euch all das?

Damit ihr versteht, warum ich Katinka mit auf die Toilette genommen habe...

Ja, es war bizarr. Aber wichtig. Und hoffentlich richtig.

Und was dabei passiert ist, das erzähle ich euch in Teil 3 von 3. Und ihr erfahrt, wie ich die Sache dem Russen gebeichtet habe. Teil 3 erscheint nächste Woche.

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